Gemeinschaftsschule – Die »Eduard-Spranger« wurde geprüft und für exzellent befunden. Teil vier der GEA-Serie

Aufstieg in die erste Bildungsliga

VON HEIKE KRÜGER

Haben allen Grund für freudige Luftsprünge: »Spranger«-Rektor Stefan Hochgreve und seine Stellvertreterin Gabriele Kupfer. Ihnen und dem Kollegium wurde seitens des Instituts für Schulentwicklung hervorragende Bildungsarbeit bescheinigt. GEA-FOTO: PACHER

REUTLINGEN. Geprüft und in vielerlei Hinsicht für exzellent befunden: Seit ein paar Monaten hat’s die Reutlinger Eduard-Spranger-Gemeinschaftsschule (ESS) schriftlich. Sie ist spitze und offiziell in der ersten Bildungsliga angekommen. Was ihr schwarz auf weiß vom Landesinstitut für Schulentwicklung bescheinigt wurde – als Ergebnis eines für Laien sperrig klingenden Zungenbrechers; einer sogenannten Fremdevaluation.

Hierbei handelt es sich um ein komplexes Testverfahren, bei dem die ESS von externen Prüfern bis ins kleinste Detail durchleuchtet wurde. Wohl gemerkt: Sie wurde geröntgt und hat das nicht etwa beantragt. Denn Qualitäts-Checks auf Bestellung sieht das Kontroll-System nicht vor. Ganz im Gegenteil. Das Landesinstitut setzt sogar betont aufs Überraschungsmoment. Weshalb »Kandidaten«, die von Experten aus Stuttgart unter die Lupe genommen werden, weder über ein terminliches noch über ein inhaltliches Mitspracherecht verfügen.

Heißt im Klartext: Die Zustandsanalyse kommt, ob man’s will oder nicht; die Terminvergabe traf die »Spranger« wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Und wie ein solcher hat sie das Kollegium – allen voran Rektor Stefan Hochgreve und seine Stellvertreterin Gabriele Kupfer – denn auch unter Strom gesetzt.

»Die verschriftlichte Bewertungspraxis wird durch die Bank von allen Eltern geschätzt«

Zwar sei man für den Fall des Evaluationsfalles nicht gänzlich unvorbereitet gewesen. Jedoch: »Der Zeitpunkt war etwas ungünstig.« Warum? »Weil wir uns noch mitten im Umbruch- und Aufbruchprozess befanden« als Stuttgart auf den Plan trat. Klar, dass da der »Spranger« jeder Zusatzaufwand ziemlich ungelegen kam. Stichwort: Schulportfolio.

Ein solches listet einerseits sämtliche von Lehrern, Eltern und Schülern getroffenen Vereinbarungen, Verbindlichkeiten und Ziele auf, andererseits aber auch nüchterne statistische Fakten. Zum Beispiel die Schülerzahl, den Migrantenanteil oder die Personalzusammensetzung – um nur drei von zig Einzelposten zu nennen. Hinzu kommen laufende Projekte, Unterrichtsmethoden, außerschulische Kooperationen und Entwicklungsperspektiven. Kurz: So ein Portfolio sollte das gesamte Leistungsspektrum einer Schule widerspiegeln und ihr Selbstverständnis zu erkennen geben.

Klingt arbeitsintensiv? Ist es auch. Und dabei markiert es nur den Anfang des eigentlichen Evaluationsprozederes. In schriftlicher Form, gewissermaßen als Dokumentation des Ist-Zustands vorgelegt, gewährt es dem Institut für Schulentwicklung Einblicke ins Innerste des Bildungsbetriebs und lässt vorsichtige Rückschlüsse darauf zu, wie der »Prüfling« tickt. Ist er strukturiert und planvoll unterwegs? Innovativ und transparent? Wie setzt er Ressourcen ein? Gibt es Partnerschaften und Netzwerke? Wie lang sind die Kommunikationswege zwischen Lehrkörper, Schüler- und Elternschaft?

Es ist also der erste Eindruck, der sich auf Grundlage eines Schulportfolios gewinnen lässt und den es im Folgenden zu bestätigen oder zu revidieren gilt: mittels standardisierter Meinungsstichproben sowie Stippvisiten im Unterricht.

Was Erstere – sie werden online abgewickelt – betrifft, lassen Fachleute alle an der Schule vertretenen Personen- beziehungsweise Interessengruppen zu Wort kommen: Schüler ebenso wie Lehrer und Eltern. Wobei Anonymität großgeschrieben wird, weil sie es ist, die es den Teilnehmern leicht macht, selbst dann ehrliche Antworten zu geben, wenn diese für Kollegium oder Rektorat wenig schmeichelhaft ausfallen.

»Hier geht es«, weiß Stefan Hochgreve, »um Authentizität.« (Negative) Kritik ist mithin ausdrücklich erwünscht. Was nicht heißen soll, dass an Lob gespart werden müsste. Und das wurde es auch nicht. Jedenfalls nicht im Falle der Spranger-Gemeinschaftsschule, die in der Gunst der Befragten offensichtlich ganz weit oben rangiert. Schüler und Eltern sind sich nämlich einig: Was die Pädagogen an der Paul-Pfizer-Straße leisten, ist vorbildlich zu nennen.

Ohne ins Detail zu gehen, lässt sich mithin bilanzieren, dass die ESS für diejenigen, die sie besuchen, Lern- und Wohlfühlort in einem ist und dass vergleichsweise neue Unterrichtsmethoden wie beispielsweise das freie Arbeiten im Lernatelier auf durchweg positive Resonanz stoßen. Auch die Verschriftlichung von Zensuren kommt bestens an.

»Der Blick von außen ist extrem wichtig. Er ermöglicht zielgerichtete Weiterentwicklung«

Statt den Leistungsstand in Ziffern auszudrücken, gibt’s ausformulierte Info-Berichte darüber, wo’s in einem Fach klemmt und wo’s im selben Fach gut oder zumindest besser läuft. »Diese Bewertungspraxis«, sagt Stefan Hochgreve, »wird durch die Bank von allen Eltern geschätzt.« Auch von allen Lehrern? Jein. »Manchem erscheint sie gar zu aufwendig«, weiß Konrektorin Gabriele Kupfer und lässt durchblicken, dass die Lehr- und Lernwelt der Eduard-Spranger-Gemeinschaftsschule dem Kollegium ein sehr hohes Maß an Motivation und Einsatzbereitschaft abverlangt.

Das freilich ist nicht jedermanns Sache. Und deshalb gab es in der jüngeren Vergangenheit durchaus Pädagogen, die zwar grundsätzliches Interesse an einem Deputat an der ESS hatten, dann jedoch – mit den auf sie zukommenden Anforderungen konfrontiert – sogleich den Rückwärtsgang einlegten; Begründung: zu strapaziös, das Ganze.

Doch zurück zum Evaluationsverfahren und hin zu den Vor-Ort-Besuchen der Fremdprüfer. Ein Trio war’s, das drei Tage lang ESS-Luft schnupperte, dabei Interviews mit einigen der 640 Schüler und 65 Lehrer sowie der Schulleitung führte, stichprobenartig den Unterricht begutachtete und die Rahmenbedingungen – Pausenhof, Räumlichkeiten, Materialien – inspizierte, um schließlich zur Überzeugung zu gelangen, dass das vorherrschende Lernklima, dass Profilierung und pädagogische Umsetzung nichts zu wünschen übrig lassen und die individuelle Förderung der Schüler Früchte trägt. Sprich: Dass an der Paul-Pfizer-Straße das Schulportfolio tatsächlich gelebt wird.

Das geht runter wie Öl. »Mit einer derart positiven Bewertung habe ich nicht gerechnet«, verrät Stefan Hochgreve und strahlt: »Wir sind definitiv auf dem richtigen Weg. Dieses Ergebnis ist für uns ein enormer Ansporn.« Und so sieht das auch seine Stellvertreterin, der es nach eigenem Bekunden vor dem Externen-Check alles andere als bange war. »Die Evaluatoren verbreiten keinen Schrecken«, betont sie. Und: »Der Blick von außen ist extrem wichtig. Er ermöglicht zielführende Weiterentwicklung, zeigt, wo Optimierungsbedarf besteht und wo man noch einen Zacken zulegen sollte« – zum Beispiel im dokumentarischen Bereich, der aus Sicht des Landesinstituts für Schulentwicklung an der ESS zwar solide, gleichwohl ausbaufähig sei.

»Da ist«, weiß Hochgreve, »noch Luft nach oben. Da wollen wir unbedingt besser werden.« Und zwar nicht nur, weil Stuttgart in voraussichtlich fünf Jahren abermals Prüfer an die »Spranger« entsenden wird, sondern weil Stefan Hochgreve und Team mitnichten vorhaben, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen.

Als nächsten Schritt in eine gedeihliche Bildungszukunft hat sich die ESS vorgenommen, in Anlehnung an das von Fünftklässlern bereits praktizierte Listhof-Projekt zum Schwerpunkt Tier- und Landschaftsschutz nun auch »Jahresthemen für alle anderen Klassenstufen« einzuführen. Medienbildung wäre hier eine denkbare Möglichkeit.

»Wir sind definitiv auf dem richtigen Weg. Dieses Ergebnis ist für uns ein enormer Ansporn«

Übrigens: Die Eduard-Spranger-Gemeinschaftsschule steht – Evaluation hin, Traumnoten her – in Reutlingen generell hoch im Kurs. Das haben einmal mehr die zurückliegenden Wochen gezeigt. Nach Ausgabe der Halbjahresinformationen (»Zeugnisse«) war’s, als sich Anfragen potenzieller »Gymnasial- und Realschul-Rückläufer« nach einem Platz an der »Spranger« häuften.

Keiner der Wechselwilligen konnte indes zum Zuge kommen. Was daran liegt, dass die Kapazitäten der ESS erschöpft sind. »So leid uns das tut. Mehr geht nicht«, erklären Hochgreve und Kupfer, die sich angesichts der großen Nachfrage sehr darüber freuen, dass für Reutlingen inzwischen drei zusätzliche Gemeinschaftsschulen mit Standorten in Betzingen, Rommelsbach und dem Storlach bewilligt wurden. Die Zeit dafür ist ihren Erfahrungen nach überreif. (GEA)

Die Prüfer

Schulen in Baden-Württemberg sind zur Selbst- und Fremdevaluation verpflichtet, also zur Bewertung der eigenen Leistung. Den gesetzlichen Auftrag zur Fremdevaluation, also zur Bewertung von außen, hat das 2005 gegründete Landesinstitut für Schulentwicklung. Seine Mitarbeiter begutachten die Schulen mithilfe standardisierter Verfahren und geben Rückmeldungen zur Qualitätsentwicklung. (GEA)