Mit einer lebhaften Diskussion an der Eduard-Spranger Schule in Reutlingen haben Friedrich-Ebert-Stiftung und GEW ihre Veranstaltungsreihe zur Gemeinschaftsschule (GMS) in Baden-Württemberg beendet. Das Fazit nach dem Start der neuen Schulform vor rund sechs Jahren: Die GMS haben sich gut etabliert, brauchen aber mehr Unterstützung.

Die Eduard-Spranger-Schule liegt am Rande der Reutlinger Kernstadt. Seit dem Jahr 2013 ist sie eine Gemeinschaftsschule mit Ganztagesbetrieb. Mehr als 60 Lehrerinnen und Lehrer arbeiten hier, außerdem Mitarbeiter aus den Bereichen Sport, Theater, Musik, Kunst, Sprachen, Medien, Umwelt und Soziales.

Schulleiter Stefan Hochgreve blickte auf der Veranstaltungzufrieden zurück auf das, was die Schulgemeinde in den vergangenen fünf Jahren geleistet hat. Lernen auf unterschiedlichen Niveaus, individuelle Förderung, regelmäßiges Coaching der Schüler, und enger Kontakt zu den Eltern – all das habe die Schule seit dem Start umgesetzt, beschrieb er die Säulen des besonderen pädagogischen Konzepts. Lehrerin Doris Weiß nannte bei der Debatte ein weiteres Ziel: „Wir leiten unsere Schüler an, selbstverantwortlich zu arbeiten.“

All das braucht Zeit und Personal. Deshalb beschrieb Hochgreve ein Dilemma, in dem viele Gemeinschaftsschulen stecken: „Für das Anderssein benötigen wir sehr viele Ressourcen, da kommen wir immer wieder an unsere Grenzen.“ Ähnlich sah das die GEW-Landesvorsitzende DoroMoritz: „Die Arbeitsbelastung der Kolleginnen und Kollegen an den Gemeinschaftsschulen ist sehr hoch, vor allem für den Ganztagsbetrieb brauchen die Schulen mehr Ressourcen als sie zurzeit haben“, sagte sie. Eine weitere Forderung: Die Lehrerausbildung muss auf die besonderen Anforderungen des gemeinsamen Lernens besser vorbereiten.

Aus Elternsicht zog Sabine Burkhardt eine positive Bilanz. Ihre Tochter gehört zum ersten Jahrgang der Reutlinger Gemeinschaftsschule. Bereut habe sie die Entscheidung nicht, sagte die Vorsitzende des Elternbeirats. Sie hob vor allem die individuelle Förderung der Kinder hervor und den guten Kontakt zwischen Lehrkräften und Eltern.

Wie Gemeinschaftsschule aus Schülersicht funktioniert, erklärte Schülersprecher Lukas Oehrle bei den anschließenden Tischgesprächen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer interessierte vor allem, wie die Einteilung in verschiedene Lernniveaus genau funktioniert und ob die Kinder beim selbständigen Lernen tatsächlich das vorgesehen Spektrum abarbeiten – oder sich nicht nur die „Rosinen“ rauspicken.

Michaela Lundt von der Handwerkskammer Reutlingen sah die GMS als „einzige Schulform, die danach fragt, was die Kinder wirklich wollen – auch mit Blick auf ihren künftigen Beruf.“ Es sei wichtig, die Talente und Stärken der Kinder zu fördern, sagte die Inhaberin einer Bäckerei. Die Schule zeige den Kindern, wie vielfältig die Möglichkeiten seien, sich zu entfalten: „Warum sollte ein Abiturient keine Ausbildung machen oder ein Schüler auf Grundniveau nicht später einmal Arzt werden? Alles ist möglich!“